Was ist Autismus?

Autismus (Frühkindlicher Autismus, Autistische Störung, Asperger Syndrom usw.) ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, der komplexe Störungen des zentralen Nervensystems zugrundeliegen – insbesondere im Bereich der Wahrnehmungsverarbeitung – und die bereits im Kindesalter beginnt. In Ihrem Zentrum steht eine schwere Beziehungs- und Kommunikationsstörung.

Die Auswirkungen der Störung behindern auf vielfältige Weise die Beziehungen zur Umwelt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft, da sowohl kognitive als auch sprachliche, motorische, emotionale und interaktionale Funktionen betroffen sind. Hinzu kommen zahlreiche Verhaltensauffälligkeiten, die besonders für die Bezugspersonen im alltäglichen Umgang mit den autistischen Menschen sehr belastend sein können.

Autistische Menschen sind somit in der Regel mehrfach behindert. Wie bei allen Mehrfachbehinderungen verlagert sich der Schwerpunkt der Behinderung im Laufe der Entwicklung mit dem Lebensalter.

In der internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden, neben dem frühen Beginn, folgende Kennzeichen als Definitionsmerkmale für den Frühkindlichen Autismus genannt:

Qualitative Beeinträchtigungen der zwischenmenschlichen Beziehungen; Beeinträchtigungen in der Kommunikation und Phantasie; Ein deutlich eingeschränktes Repertoire von Aktivitäten und Interessen. Kinder mit Autismus können zunächst keine Geste, kein Lächeln, kein Wort verstehen. Sie können zu anderen Personen, selbst zu den eigenen Eltern, kein normales Verhältnis herstellen. Sie ziehen sich zurück, kapseln sich „autistisch“ ab – daher der Name! Jede Veränderung in ihrer Umwelt kann sie stark erregen. Kinder mit Autismus können nicht „normal“ spielen und benutzen ihr Spielzeug in immer gleicher, oft zweckentfremdeter Art und Weise. Sie entwickeln Stereotypien: z. B. Drehen und Kreiseln von Rädern, Rieseln mit Sand, Wedeln mit Fäden oder Papier.

Die wichtigsten Symptome der autistischen Störung sind in ihrem Ausprägungsgrad jeweils unterschiedlich.

Menschen mit Autismus haben häufig vom Säuglingsalter an Probleme beim Essen und Schlafen und entwickeln selbststimulierende Verhaltensweisen, die bis zur Selbstverletzung reichen können. Oft treten auch Fremdaggressionen in schwerer Form auf. Sie bestehen zwanghaft auf ganz bestimmte Ordnungen oder können ihre Bezugspersonen zur Verzweiflung bringen durch exzessives Sammeln bestimmter Gegenstände, durch ihre Weigerung, bestimmte Kleidung zu tragen, durch Wiederholung immer derselben Verhaltensweisen oder sprachlichen Äußerungen. Viele haben kein Gefahrenbewußtsein. Ein großer Teil der autistischen Menschen lernt nicht sprechen.

Die intellektuelle Begabung von Menschen mit Autismus ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von geistiger Behinderung bis hin zu normaler Intelligenz, wobei einige von ihnen erstaunliche Teilleistungen im Rechnen, in technischen Disziplinen, in der Musik und auf anderen Gebieten zeigen.

Nach dem heutigen Wissensstand gibt es in Deutschland 5 -15 Menschen mit autistischen Störungen auf 10.000 Personen in der Bevölkerung (Kerngruppe und erweiterter Personenkreis). Von der Störung sind Jungen drei- bis viermal häufiger betroffen als Mädchen. Frühkindlichen Autismus findet man in Familien aller Nationalitäten und sozialen Schichten.

Es gibt trotz umfangreicher Forschungsergebnisse bislang noch kein Erklärungsmodell, das vollständig und schlüssig die Entstehungsursachen der autistischen Störung belegen kann. Nach dem heutigen Wissensstand ist Autismus nicht heilbar.

So unterschiedlich sich die Ausprägungen der autistischen Störung darstellen, so vielfältig und jeweils am einzelnen Menschen mit Autismus ausgerichtet müssen die pädagogischen und therapeutischen Ansätze sein. Durch gezielte „autismusspezifische“ Förder- und Therapiemaßnahmen läßt sich in vielen Fällen eine deutliche Verbesserung der Symptomatik erreichen und die Lebensqualität sowohl für den autistischen Menschen als auch für seine Bezugspersonen steigern.

Formen des Autismus

Nach der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) gilt Autismus als „Tiefgreifende Entwicklungsstörung“ (F84).

Dabei liegt eine lebenslange komplexe Störung des zentralen Nervensystems zugrunde – insbesondere im Bereich der Wahrnehmungsverarbeitung – die bereits im Kindesalter beginnt. In Ihrem Zentrum steht eine schwere Beziehungs- und Kommunikationsstörung.

Die Auswirkungen der Störung behindern auf vielfältige Weise die Beziehungen zur Umwelt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft, da sowohl kognitive als auch sprachliche, motorische, emotionale und interaktionale Funktionen betroffen sind.

Hinzu kommen zahlreiche Verhaltensauffälligkeiten, die besonders für die Bezugspersonen im alltäglichen Umgang mit den autistischen Menschen sehr belastend sein können.

Informationtafel Autismus „Strichmännchen“

Zu den Autismus-Spektrum-Störungen gehören u. a.:

  • der Frühkindliche Autismus (F84.0)
  • der Atypische Autismus (F84.1)
  • das Asperger-Syndrom (F84.5)
  • das Rett-Syndrom (F84.2)
  • die sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörung (F84.8)
  • die nicht näher bezeichnete tiefgr. Entwicklungsst. (F84.9)

Zusammen mit dem Autismus können komorbide Störungen (Begleiterkrankungen) auftreten, wie zum Beispiel:

  • AD(H)S (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Konzentrationsprobleme, die aufgrund leichter Ablenkbarkeit durch Außenreize oder eigene Gedanken entstehen und mit Impulsivität und Hyperaktivität gekoppelt sein können.)
  • Tourette-Syndrom (Dies ist eine neuropsychiatrische Erkrankung, die durch das Auftreten von „Tics“ charakterisiert ist.)
  • Depressionen, Phobien, posttraumatische Belastungsstörungen, Zwangsstörungen, Essstörungen, Schlafstörungen, Stottern, etc.

Wenn die autistische Störung lange unerkannt bleibt, können verschiedene zusätzliche Störungen auftreten.

Eine frühe Diagnose ist aus diesem Grund wichtig.

Das Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5) ist eine Variante der Autismus-Spektrum-Störung.

Es wurde erstmals 1944 von Hans Asperger (von ihm „autistische Psychopathie“ genannt) beschrieben.
Diese Variante unterscheidet sich vom Frühkindlichen Autismus dadurch, dass die Sprachentwicklung bei den betroffenen Menschen annähernd normal bis früh und gut mit gelegentlich besonders guter Artikulation verläuft.

Die Intelligenz der Menschen mit Asperger-Syndrom entspricht mindestens der durchschnittlichen Intelligenz der nicht-autistischen Menschen. Nicht selten ist auch eine Hochbegabung zu beobachten.

Zudem haben Betroffene mit Asperger-Syndrom häufig Probleme in der motorischen Koordination und im Bewegungszusammenspiel.

Beim Atypischen Autismus (ICD-10: F84.1) entspricht entweder der zeitliche Ablauf nicht dem des Frühkindlichen Autismus, d.h., erste Symptome sind ab dem dritten Lebensjahr feststellbar oder das Vollbild der Symptomatik des Frühkindlichen Autismus ist nicht nachweisbar.

Der Frühkindliche Autismus (ICD-10: F84.0) zeigt sich schon (ansatzweise) in den ersten beiden Lebensjahren.

Die betroffenen Menschen haben große Schwierigkeiten mit sozialen Situationen (teilweise verbunden mit einer extremen Abkapselung vom Umfeld), massive Kommunikationsprobleme und zeigen ungewöhnliche(s) Interessen / (Spiel-) Verhalten.

Häufig besteht auch eine verminderte Intelligenz.

All diese Symptome führen dazu, dass autistische Menschen sich nicht „normal“ entwickeln.

Der High-Functioning Autismus (der Begriff existiert zurzeit allerdings in keiner offiziellen Diagnoseklassifikation) ist eine Variante des Frühkindlichen Autismus bei relativ hoher Intelligenz.

Die Betroffenen zeigen nicht die Merkmale des Asperger-Syndroms, sondern entsprechen dem klassischen Bild eines Frühkindlichen Autismus mit einer relativ hohen Intelligenz bzw. besonderen Fähigkeiten in einzelnen Bereichen.

Der Begriff wird auch für autistische Menschen benutzt, bei denen im Kindesalter die Diagnose Frühkindlicher Autismus erstellt worden ist, die sich gut entwickelt und im Erwachsenenalter eine relativ hohe Selbständigkeit erreicht haben.

Das Rett-Syndrom (ICD-10: F 84.2)  ähnelt im Erscheinungsbild dem Frühkindlichen Autismus.

Typisch sind stereotype Handbewegungen wie z. B. Händewringen oder Hyperventilation.
Der Beginn dieser Störung liegt zwischen dem 7. und 24. Lebensmonat und wurde bisher nur bei Mädchen beschrieben. Ein teilweiser oder vollständiger Verlust der Sprache und der Gebrauchsfähigkeiten der Hände  erfolgt. Es resultiert fast immer eine schwere Intelligenzminderung.

Hierbei handelt es sich um Menschen mit einer „Inselbegabung“.

Trotz einer kognitiven Behinderung oder Entwicklungsstörung zeigen diese Menschen in kleinen Teilbereichen außergewöhnliche Leistungen. So z. B. im rechnerischen, musikalischen oder künstlerischen Bereich. Ihr Intelligenzquotient ist häufig unterdurchschnittlich. Nicht selten sind diese Menschen zusätzlich von Autismus betroffen.

Häufigkeit

Während man noch vor wenigen Jahren davon ausging, dass der Autismus eine sehr seltene Störung ist, weisen neuere Untersuchungen höhere Häufigkeiten auf.

Leider liegen für Deutschland keine genauen Angaben vor.

Die folgende Tabelle geht auf Untersuchungen in Europa, Kanada und den USA zurück.

Art der Störung Fälle pro 1000
Alle autistischen Spektrumstörungen 6 – 7
Frühkindlicher Autismus 1,3 – 2,2
Asperger-Autismus 1 – 3
Andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen 3,3

(Quelle: Autismus Deutschland e. V. Denkschrift. 6. Auflage. August 2008)

Ursache

Obwohl sich Wissenschaftler seit 50 Jahren mit der Ursachenforschung beschäftigen gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt kein anerkanntes Erklärungsmodell.

Als zugrundeliegende Ursache ist eine biologische bzw. hirnorganische Komponente anzunehmen, während äußere Umwelteinflüsse für den Verlauf von Bedeutung sind.

Störungen der emotionalen Entwicklung wurden lange Zeit als Resultat einer gestörten Eltern-Kind Beziehung begründet. Dafür gibt es aber keine wissenschaftlich fundierten Hinweise.

Prognose

Autismus ist eine lebenslange nicht heilbare tiefgreifende Entwicklungsstörung und entsteht wohl schon in einer frühen Phase der Schwangerschaft.

Einzelne Symptome können erfolgreich (altersunabhängig, möglichst frühzeitig) therapiert werden.

Es können (bei adäquater Unterstützung) deutliche Fortschritte bis hin zu einem – im Einzelfall – annähernd „normalen“ Leben in unserer Gesellschaft erzielt werden.

In den meisten Fällen sind autistische Menschen allerdings auf lebenslange Hilfe angewiesen.

Die Störungsauswirkungen behindern vielfältig die Beziehungen zur Umwelt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft; oftmals vorhandene Verhaltensauffälligkeiten können besonders für die Bezugspersonen im Alltag sehr belastend sein.